Autofahren auf Kuba

Not used? Die Frau von der Autovermietung schaut ungläubig in den Kofferraum. Das Ersatzrad nach 2.000 Kilometern auf kubanischen Straßen unbenutzt, das kann nicht sein. Ohne Reifenpanne keine Kubatour, muss schon die Dame gedacht haben, die uns im Rex-Büro in Varadero das Auto übergeben hat. Ein langes Formular, und ganz wichtig: zwei Telefonnummern für Reifenhilfe. Und bitte unbedingt nur dort anrufen und reparieren lassen! Vielleicht bekommen nicht alle Kubafahrer diesen Rat. Fast jeder Mietwagentourist erzählt die Story über einen Platten und freundliche Kubaner, die für 80 CUC das Flicken organisieren (rund 75 Euro und damit mehr als das Dreifache des Monatsverdienstes eines Arztes oder Anwalts). Das Touristengeld ist begehrt, dafür ist jeder Trick erlaubt.

DSC00423 KopieAutofahren auf Kuba, dazu gehören Vorsicht und gesundes Misstrauen. Anhalter mitnehmen, auf keinen Fall. Die Besitzerin einer Casa particular warnt beim Abschied: Rund um Trinidad niemanden ins Auto lassen. Sonst: irgendwas gehe kaputt, das Auto bleibe stehen und die Reparatur, ja, da wüssten die Mitreisenden dann jemanden … Alles klar! Anhalter stehen in Kuba überall. An jeder Kreuzung und an jeder Bushaltestelle, in den Orten und auch außerhalb. Nicht nur einer, sondern fast immer große Gruppen. Wer kein altes Rad oder Moped, keinen Pferdewagen und keinen Uralt-Lada, Moskwitsch oder sonstigen Oldtimer besitzt, wedelt mit der ausgestreckten Hand jedem Auto entgegen. Profi-Tramper erkennen Mietwagen und Touristen allerdings schon von Weitem und winken gar nicht erst. Mitnehmen ist in Kuba (noch) ein Stück Solidarität, einheimische Fahrzeuge sind immer voll. Wem das Glück keinen Mitfahrplatz beschert, der quetscht sich in die Busse. Einen Peso kostet die Fahrt, dafür heißt es auf einen Lkw klettern, der auf der Ladefläche mit einem Transportkäfig bestückt ist. Kleine Fenster, drinnen Mensch an Mensch. Diese Laster machen auf der Carretera Central, der zentralen Landstraße, gutes Tempo und jede Menge Mief. Rußwolken aus Vor-Katalysator-Zeiten. Überholen nur mit geschlossenen Fenstern und Klimaanlage.

DSC00453Apropos Überholen: Es dauert ein bisschen, bis man Entfernung und Geschwindigkeit des Gegenverkehrs oder der Hindernisse auf der eigenen Fahrspur richtig einschätzen kann. Denn kubanische Straßen inklusive der Autobahn haben keine Leitplanken, die Landstraßen auch keinen Randstreifen. Oft ist die Straße viel höher als der Boden daneben, was Lenkfehler sofort bestraft: Reifen kaputt oder Unterbau. Also bedeutet jeder Radler, jede Pferdekutsche bremsen und hinterherzuckeln, wenn die Straße nicht frei ist. Und kubanische Radler können unglaublich langsam fahren. Stundenschnitt 56 Kilometer – Urlaubstempo. Der große Vorteil der Autobahn: keine Ortsdurchfahrten. Anders die zentrale Landstraße. Immer wieder Dörfer und Städte, Schritttempo. Steigende Radler-, Fußgänger- und Pferdewagendichte kündigen die Orte zuverlässig an. Anders als Namensschilder, die besonders auf dem Weg in die Sierra Maestra Mangelware sind. Ob der Weg noch stimmt, wird dabei zum Glücksspiel. Fragen kostet versteinerte Mienen oder CUC.

DSC00237 KopieSchilder braucht der Kubaner wahrscheinlich nicht, denn die meisten verlassen die Gegend rund um ihren Wohnort eher selten. Individualverkehr quer über die Insel gibt es nicht. Bei Preisen um 1,40 CUC für den Liter Especial-Benzin für Otto-Normalkubaner auch unbezahlbar. Der Tourist dankt jedem Hinweisschild, vor allem wenn es weder verwittert noch verschmiert ist. Ansonsten hilft nur Fahren nach Straßenkarte und Himmelsrichtung.

Bremsen, auch das gehört zum Autofahrerlebnis auf Kuba. Für Kühe, Pferde, Hühner, Hunde. Für Verkäufer, die überall plötzlich aus dem Nichts auftauchen und Bananen, Käse, Macheten oder auch mal lebende Truthähne zum Verkauf auf die Fahrbahn halten. Bremsen vor allem an Bahnübergängen – reichlich vorhanden, auch wenn nie ein Zug in Sichtweite ist. Er könnte aber kommen, also anhalten. Wegen der Reifen sowieso. Viele Übergänge ähneln eher Kratern. Und weil eh schon alles steht, nutzen unzählige Verkäufer die Gunst der Stunde. Ersten Gang rein, über die Schienen holpern – und weiter. Bis zum nächsten Schlagloch. Manchmal ganze Straßenteile unbefahrbar, alles kurvt irgendwie drumherum. Manchmal warnen Schilder vor der Buckelpiste, manchmal nicht. Glück, wenn ein Vordermann durch heftiges Bremsen und Ausweichen die Gefahr anzeigt. Ansonsten traut der europaverwöhnte Autfahrer seinem Wagen Tag für Tag mehr zu. Alles klappert? Macht nichts, 70 km/h gehen schon. Weißer Sand im Loch? Einfach durch, frischer Teer stört auch nicht. Ausgebessert wird auf Kuba bei laufendem Verkehr. Umleitungen unmöglich, weil es keine anderen Straßen gibt. Pech, wenn auf der Strecke des Tages dann mal ein Radrennen stattfindet. Mit 40 kommt man ja auch an. Nur dranbleiben am Besenwagen und sich so gleich noch von den Zuschauern an der Strecke bejubeln lassen. Nach einer Stunde kommt ein Abzweig, adios!

Ein Gedanke zu “Autofahren auf Kuba

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